Dienstag, 27. August 2013

Nach hause

Vor zwei Tagen habe ich schon mal angefangen zu schreiben, da klang das etwa so:

Langsam wird es besser. In den letzten Tagen ist es wieder etwas bergauf gegangen. Oliver bekommt wieder alles mit. Spricht und macht auch wieder kleine Späße. Er fängt auch langsam wieder an zu essen. Die künstliche Ernährung gibt es zwar weiterhin, aber hier mal ein Schälchen Suppe, ein Joghurt oder mal ein halbes Brötchen sind wieder drin.
Er schläft immer noch viel, aber ich habe den Eindruck, dass dieser Schlaf etwas erholsamer ist. Und er ist zwischendurch mal richtig wach, unterhält sich, schaut fern oder hört Hörbuch. Das alles hat er letzte Woche nicht gemacht. Da hat er den ganzen Tag nur da gelegen.
Es geht ihm auch immerhin wieder so gut, dass er uns sagen kann was er hat: seine Konzentration ist stark eingeschränkt, er hat oft Schwindelgefühle und Gleichgewichtsstörungen beim aufstehen. Er fühlt sich wie blind, obwohl er noch sehen kann, aber irgendwie scheint da ein Schleier vor den Augen zu sein. Seitlich vom Steiß tut es weh.
Außerdem hat er stark an Gewicht verloren. Seit letzter Woche hat er etwa vier kg abgenommen. Jetzt müssen wir aber aufpassen, sonst wiegt er bald weniger als ich^^.
Langsam fängt er auch wieder an auf sein Handy zu schauen, bzw. mir das Handy zu geben, um ihm zu sagen, was es neues gibt.

Heute geht es rasend schnell weiter:
Oliver läuft schon wieder mit der Physiotherapeutin über den Flur, manchmal auch alleine. Alles wird etwas besser, auch wenn er das etwas anders sieht. Ich habe heute schon mal gesagt, dass es ihm schon wieder so gut geht, dass ihm wieder auffällt, inwiefern es ihm nicht gut geht.
Gerade war Visite. Die Ärzte glauben nicht so richtig an Heilung und sehen momentan auch keine Möglichkeit hier mehr zu behandeln, als Schmerzen zu lindern und Antibiotika zu geben. Das könnten wir auch zuhause. Also haben die Ärzte vorgeschlagen Oliver morgen zu entlassen. Jetzt geht alles so schnell... Ich kann gerade gar nicht so klar denken, dass ich hier viel schreiben kann. Ich denke mal, die Tage gibt es dann mehr!

Liebe Grüße an euch alle da draußen von
Anna und Oliver in der Raumstation

Donnerstag, 22. August 2013

Experimente


Liebe Leute,
Nachdem nun Olivers Prognose alles andere als gut ist, hat er sich dazu entschlossen eine Vitamin B17 (=Lätril=Amygdalin)-Therapie zu machen. Die Ärzte in Marburg haben es eigentlich nicht so mit Alternativmedizin, aber wir wollten trotzdem mal fragen, ob sie die Medikamente verabreichen würden. Ja, würden sie machen. Verlieren könnten wir ja nichts. Auf die Frage, ob wir von unserem Professor ein Rezept für die Medikamente bekommen würden, bekamen wir auch eine positive Rückmeldung. Wir waren ganz erstaunt und auch erleichtert. Also habe ich mich direkt ans Telefon gesetzt, mit der Heilpraktikerin gesprochen, Apotheke angerufen, bei einem Labor angerufen um einen Test für den "kompletten Tumorstatus" zu bestellen. Alles kam an, aber unser Professor ließ sich irgenwie nicht mehr blicken. Das Rezept, das ich dem Apotheker zugesagt hatte, bekamen wir auch nicht.

Nach zwei Tagen schaffte es der liebe Prof. B. dann doch mal in unser Zimmer, sah sich unsere Medikamente an, die wir nun ja schon bekommen hatten und war sehr zögerlich und schien einen Rückzieher machen zu wollen. "Sie können mich ja nicht zwingen Ihnen das anzuhängen." Darauf reagierte Oliver sehr laut und machte klar, das wir in dem Fall zügig das Krankenhaus wechseln würden. Erst Zusagen machen und sich dann nicht dran zu halten, das kann er gar nicht haben.

Für das Teströhrchen brauchten wir Blut und einen Zettel, der vom Arzt ausgefüllt werden sollte, damit die Krankenkasse die Kosten übernimmt. Das Ausfüllen des Zettels hat er abgelehnt. Jetzt müssen wir den Test selber zahlen.

Gestern Abend haben wir dann das erste Amygdalin angehängt bekommen. Auch wenn der Prof. immer wieder sehr ausdrücklich gesagt hat, dass er das nur ungern macht. Auch die Schwestern am Abend waren sehr skeptisch und haben uns das auch spüren lassen. Unsere Schwester heute Morgen war aber sehr nett und hat alles zusammengemischt, so wie wir es brauchen und dann dem einen Arzt zum Anhängen übergeben. Der schien auch etwas skeptisch, hat sich aber zurückgehalten.

Mir sind die Situationen sehr unangenehm und ich muss zugeben, dass ich die ganze Zeit überlege, ob es nicht sinnvoller wäre nach Herdecke ins Krankenhaus zu gehen. Momentan läuft hier im Prinzip nichts an Diagnostik oder an außergewöhnlichen Behandlungen. Die Schmerzmittel, Antibiotika und so könnte man auch dort bekommen. Aber hier sind ja die Spezialisten. Wer weiß was noch für Überraschungen auf uns zukommen. Da ist es wohl besser hier zu bleiben. Und vielleicht gewöhnen sich die Ärzte und Schwestern ja auch einfach langsam daran das Amygdalin zu verabreichen.

Abgesehen davon geht es Oliver noch immer sch****. Er hat starke Kopfschmerzen, die auch durch die Schmerzmittel nicht besser werden. Das Fieber kommt und geht. Heute schwitzt er dabei auch sehr viel. Das war die letzten Tage kaum der Fall, da hat er eigentlich immer gefroren, oder er hat nur wenig geschwitzt. Dafür ist die Temperatur heute zum erstem Mal (das ich es mitbekommen habe) auf 36,... gesunken. Bei den anderen Messungen war er immer mindestens bei 37 bis 38°C.

Alles was ich hier so schreibe, ist das was ich so mitbekomme. Natürlich kann ich nicht genau sagen, ob alles so 100%ig stimmt, was ich über Oliver Schmerzen, über seinen Zustand im allgemeinen schreibe. Ich schnappe einiges auf. Immer wieder fragen Ärzte / Schwestern / Physiotherapeutinnen wie es ihm geht, was ihm schmerzt. Nicht immer bekommen sie (und damit ich) eine zufriedenstellende Antwort. Oft ist es nur ein genervtes Stöhnen oder ein ungehaltenes "unverändert". Immer nach dem Motto "nervt mich nicht".

Das größte Problem ist im Moment, dass Oliver nicht alleine sein kann. Es muss immer jemand da sein, der springen kann. Geräte, die piepen lautlos stellen, Schwestern rufen für ne neue Wärmflasche, ein paar beruhigende Worte, wenn er beunruhigende Gedanken hat, einfach da sein. Manchmal ist auch gar nichts und ich sitze einfach nur still da, nur wenn ich weggehe, dann wird er sehr unruhig. Das ist gerade sehr anstrengend für mich. Keine entspannte Minute zu haben, immer darauf zu warten, dass irgendwas ist. Heute Abend kommen Olivers Eltern wieder, um diese Aufgabe mit mir zu teilen.

♥ Anna






Montag, 19. August 2013

Rückschlag

Liebe Freunde und Verwandten,

heute bin ich (Anna) es mal, die sich hier zu Wort meldet. Oliver geht es leider nicht sehr gut, so dass ich die Aufgabe Euch zu informieren übernehme.


Erst mal möchte ich so vielen von Euch danken, für die schöne Hochzeit, die Ihr uns gemacht habt! Wir hatten beide super viel Spaß! Danke!!
Wie Oliver schon geschrieben hat, waren wir beide nach der Hochzeit etwas schlapp. Ich war dann relativ schnell wieder im Normalmodus, wobei Oliver immer weiter abbaute. Im Laufe der Woche verschlechterten sich die Werte der Thrombozyten. Am Wochenende klagte er dann über Schmerzen aus dem Rücken bis hinunter in die Beine. Wir haben dann versucht ein bisschen spazieren zu gehen in der Hoffnung, dass sich die Schmerzen dann verabschieden. Erfolglos. Am Montag war Oliver dann wieder in Marburg. Dort sprach er die Schmerzen an, die dort allerdings noch nicht so große Beachtung fanden, da die Blutwerte alle Aufmerksamkeit forderten. Die Leukozyten waren auf unglaubliche 33.000 gestiegen. Gar nicht gut. Das bedeutet: die Leukämie sitzt wieder / immer noch (?) im Knochenmark. Kein Optimismus bei den Ärzten. Jetzt gibt es neue Medikamente: Tabletten, die zuhause eingenommen werden können und ab Mittwoch sollte Oliver dann noch neue intravenöse Chemo für fünf Tage bekommen. Das sollte aber auch ambulant laufen können.

Olivers Schmerzen wurden immer schlimmer. Es war gar nicht schön das mit ansehen zu müssen, ohne etwas machen zu können. Er konnte nicht sitzen und liegen war auch nicht angenehm. Immer wieder versuchte er eine bequeme Position zu finden, hockte halb auf dem Boden, den Oberkörper auf dem Sofa oder seitlich auf dem Sofa, Kissen an den verschiedensten Stellen untergeschoben… Die Nächte auf Dienstag und Mittwoch hat er nur mithilfe einer Schlaftablette überhaupt ein Auge zumachen können. Am Mittwoch sollte er dann zur ersten Chemo nach Marburg. Im Taxi muss er sehr starke Schmerzen gehabt haben. Auf der Strecke hielten  sie zwischendurch um aufzustehen und die Position etwas zu verändern. Da wusste er: Das schafft er nicht die nächsten fünf Tag hin und zurück. In der Ambulanz wurden seine Schmerzen dann auch ernsthaft untersucht. Zusätzlich hatte er auch noch Taubheitsgefühle. Beides zusammen spricht sehr dafür, dass es ein Problem an den Nerven ist. Es gab ein MRT um zu überprüfen, ob ein Tumor oder etwas anderes am Rückenmark auf die Nerven drückt. Aber es war kein Tumor oder etwas anderes zu sehen. Eine andere Idee der Ärzte war, dass Krebszellen im Nervenwasser sein und sich dort an Nervenenden setzen könnten.

Am Freitag wurde dann eine Nervenwasseruntersuchung gemacht. Im Zuge dessen wurde dort auch ein Chemomedikament eingespritzt. Die Nervenwasseruntersuchung zeigte viele tote Zellen. Diese abgestorbenen Zellen deuten wohl darauf hin, dass das seit Montag gegebene Medikament schon wirkt. Gegen die Schmerzen gibt es viel Schmerzmittel. Oliver steht ganz schön neben sich und schläft viel. In der Nacht auf Freitag bekam er starkes Fieber in Verbindung mit Übelkeit. Er hatte eine sehr anstrengende Nacht. Am Tag war er dann sehr erschöpft und hat sehr viel geschlafen. Immer wieder bekommt er jetzt Fieber. Die vorsorglich gegebenen Medikamente können das nicht abfangen und jedes Mal muss er zusätzlich Paracetamol nehmen. Die Übelkeit ist nicht jedes Mal dabei, kommt aber immer wieder hinzu. Jetzt gibt es wieder diverse Antibiotika in großen Mengen. Es ist zwar kein Infekt zu entdecken, aber sicher ist sicher.

Gestern sind noch starke Kopfschmerzen hinzugekommen, für die wir auch noch keine Erklärung haben.
Ich bin direkt am Mittwochabend noch mit einem Koffer für Oliver und einem für mich nach Marburg gekommen. Glücklicherweise kann ich erst mal für eine Woche in den Elternwohnungen unterkommen.

 Seit Samstag hat Oliver wieder ein Einzelzimmer. Das ist auch gut so. Er braucht sehr viel Ruhe und ist schnell gereizt. Das ist auch der Grund, warum er momentan keinen Besuch möchte. Falls Ihr anruft, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass er nicht ans Telefon gehen wird.

Er drückt euch alle.


Alles Liebe
Anna



Dienstag, 13. August 2013

20130813 - zur Lage

Hallo Gemeinschaft,

nach den Infos, die ich im letzten Blog mitgeteilt habe, brauchte ich wieder einmal Zeit für mich. Ich beschäftigte mich mit alternativen Behandlungsmethoden zur Schulmedizin und wurde von der Fülle erschlagen. Außerdem wurde ich durch Kleinigkeiten und Kommentare außenstehender schnell verunsichert. Das war eine sehr schwierige Zeit für mich, daher hab ich auch wenig von mir hören lassen.
Hab mich dann für einen fünf-gleisigen Weg entschieden:
1. weiterhin leichte Chemo + Bestrahlung der Haut in Marburg
2. eine Misteltherapie bei einem Anthroposophen (mache ich jetzt seit 6.8.)
3. Vitamin B17-Therapie (die Kerne hab ich nicht vertragen, daher in Teeform selbstständig zu Hause seit 1.8.)
4. Aktivierung meiner Selbstheilungskräfte zu intensivieren
5. eine kohlenhydratfreie Ernährung

Es lief gut, ich fühlte mich körperlich fit und der Juli war super. Die Chlorome kamen und gingen, aber ich machte kleine und große Pläne. :)

Am 3.8. haben Anna und ich dann ganz spontan noch kirchlich geheiratet, bei meinem Schwiegervater und seiner Freundin in der Nähe von Hagen. Innerhalb von 8 Tagen haben Anna und ganz viele tolle Menschen eine Traumhochzeit für mich (und Anna und alle die dabei waren) auf die Beine gestellt. In der kürze der Zeit konnten sich zwar nicht alle Freunde frei machen, aber es war trotzdem ein gelungener Tag!!! :)))

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Tja, und danach?

Anna und ich hatten letzte Woche beide das Gefühl uns nicht wieder richtig zu regenerieren nach dem anstrengenden Hochzeitswochenende.